Das Jahr des Greifen: Der Sturm der Orken

18. Efferd, 1013 BF: Sturm der Orks, Fall der Ostschanze

Und wieder verstummten die Kriegstrommeln der Schwarzpelze abrupt in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages. Die Orks sammelten sich in einer mächtigen Schlachtreihe vor dem östlichen Lager. Stille. Dann - fast möchte ich nach dem endlosen Warten 'endlich' sagen - begann der Sturm auf die Stadt. Nun endlich konnten wir erkennen, was die Schwarzpelze hinter den großen Erdwällen im Ostlager getrieben haben: sie hatten dort in den letzten Wochen von der Stadt aus ungesehen drei große Belagerungstürme errichtet. Ich hätte nie gedacht, das Orks dazu in der Lage sind. Sicher hatte hier wieder einer dieser Verräter seine Hand im Spiel. Die drei mächtigen Türme wurden von menschlichen Gefangenen hinter den Erdwällen hervor und gen Ostmauer der Stadt gezogen. Lange habe ich gezögert, doch letztendlich gab ich den Befehl, trotz der an die Türme angeketteten armen Seelen die Belagerungsgeräte in Brand zu setzen. Die Schützen aus Robans Banner konnten mit magischer Hilfe von Mythornius alle drei Türme in Flammen aufgehen lassen, und einer nach dem anderen kippte in die Reihen der Orken, umgeben von hell loderndem Feuer. Rückblickend weiß ich nun mit schmerzhafter Klarheit, dass dies alles nur Ablenkung war, die Türme waren größtenteils unbenannt, sollten sie doch nur von dem ablenken, was danach kommen sollte!

 

In der Zwischenzeit zog ein mächtiges Gewitter auf, dass sich plötzlich in einem gewaltigen Krachen genau über der Ostschanze entlud! Einmal hielt das magische Schutzschild der dort auf der Plattform des Turmes positionierten Kampfmagier, doch ein zweiter, noch gewaltigerer Blitz ließ die magische Barriere mit einem Kreischen und Bersten in blauen Funken vergehen. Die Macht des Blitzes ließ die Mauern der Ostschanze erst rot aufglühen, bevor die Bastion mit einem gewaltigen Krachen explodierte. Die Trümmer begruben zahlreiche Greifenfurter unter sich, die Beilunker Kampfmagier auf dem Turm hatten keine Chance das Inferno lebend zu überstehen.

 

Als sich Rauch und Trümmer gelegt hatten haben sich die Fußtruppen der Orken auf die geschlagene Bresche konzentriert, dank dem Heldenmut von Ungrimm und seinen Leuten konnte die Schneise im Ostwall allerdings ohne weitere größere Verluste gehalten werden. Ungrimm hat dabei sogar einen der mächtigen Kriegsoger gefällt, wirklich fähiger Angroscho. Auch die Banner von Himgi und Roban hielten während dem Sturm auf die Bresche blutige Ernte unter den anstürmenden Orks. Als dann auch noch mächtige Illusionsmagie von Lancorian und Mythornius Angst und Schrecken unter den Angreifern verbreitete hat wohl selbst Garthai gemerkt, dass selbst durch die Bresche an diesem Tage kein einziger Schwarzpelz in die Stadt gelangen wird. Daraufhin begannen die orkischen Belagerer auch die Nord- und Südmauer der Stadt mit Sturmleitern zu bestürmen. Doch auch hier konnten wir die Orken erfolgreich zurückschlagen. Blautanns Kürassiere ritten die Angreifer im Norden nieder, Wulf und sein Banner konnte die Südmauer ohne größere Verluste halten.

 

Efferd war uns an diesem Tag immerhin auch wohlgesonnen, denn dank den übermäßigen Gaben des Gottes waren die Brandgeschosse der Schwarzpelze nahezu wirkungslos. Ich bin mir fast sicher, dass das Gewitter nicht das Werk des Efferd, sondern schändliche Magie der Schwarzpelze oder dieses Gamba war. Lediglich der Henkersturm fing Feuer. Ob dies ein Zeichen des Götterfürsten gegen diesen Mistkerl war? Ich hoffe es wirklich, ich kann jeden Beistand gebrauchen, den ich bekommen kann.

 

Nach einigen Stunden, die so manchem Verteidiger auf den Mauern der Stadt sicherlich wie Tage vorkamen, zogen sich die Schwarzpelze endlich wieder zurück. Leider nur für kurze Zeit, wie wir wenig später feststellen mussten.

 

Garthai änderte nun seine Taktik und lies seine Kriegsoger mit riesigen verstärkten Holzschilden auf die Bresche marschieren. Doch wieder hatte er die Tapferkeit meiner Leute nicht bedacht - einige der mraschierenden Oger wurden schon von Himgis Geschützen und dem magischen Inferno des Festumer Magus vernichtet und die Oger, die es letztendlich doch bis zur Bresche schafften, wurden von Ungrimm, Roban, Wulf und Darrag niedergemacht. Der Henker hielt Wort, auch er war bei der Verteidigung der Bresche dabei. Selbst als die niederträchtigen Götzendiener der Orken die Oger erneut zu unheiligem Leben erweckten, hielten die Verteidiger stand! Fünf Mann (oder was auch immer dieser verdammte Henker eigentlich genau ist) gegen fast ein Dutzend Kriegsoger, das hatte sich Garthai sicher anders vorgestellt! Meine Männer waren ob ihres Sieges so übermütig, sie setzten den fliehenden Kriegsogern sogar kurz nach, besannen sich dann aber doch eines Besseren und zogen sich wieder hinter die Stadtmauern zurück.

 

Das gab den Orks wohl endgültig den Rest, an diesem Tage sollte kein einziger Angriff mehr erfolgen, die Schwarzpelze waren zurückgeschlagen. Vorerst.

 

Später am selben Tage fanden meine Männer sogar noch die Zeit, einen in alten Quellen des Stadtarchivs erwähnten Runenstein aus dem Hafenbecken der Breite zu bergen. Ungrimm schaute sich den Stein nur kurz an, verdeckte ihn dann sogleich mit einem Tuch und brachte ihn an einen sicheren Ort. Beunruhigende, alte Runen der Angroschim seien auf dem Stein, so sagte er mir später, und selbst ein kurzer Blick darauf hätte ihm die Nackenhaare aufgestellt. Nun, ich denke er hat vielleicht sogar recht, erwähnten nicht die Schriften sogar, dass damals zwei Angroschim den Verstand verloren haben, nachdem sie den Stein erblickten?

 

19. Efferd, 1013 BF: Der finale Angriff

Der erste Angriff der Schwarzpelze war erfolgreich zurückgeschlagen, doch das Gefühl des sicheren Sieges währte leider nur wenige Stunden. Bereits kurz nach Mitternacht begannen die Orks im Schutze der Dunkelheit erneut, die Stadtmauern von allen Seiten her zu bestürmen. Ungrimms Banner konnte die Bresche im Ostwall zwar weiterhin halten, und auch die Nordmauer wurde von Roban und seinen Bogenschützen vortrefflich gesichert. Doch an der Südmauer kam erneut dunkle, verachtenswerte Blutmagie der Orkschamanen ins Spiel - mit einem unheiligem Ritual sprengten sie das Südtor und brachen durch die Trümmer des ehemaligen Tores in die Stadt durch. Agent Kralle konnte die Schwarzpelze noch eine Zeit lang aufhalten, zahlte dafür aber fast mit seinem Leben.

 

In der Folge kam es zu blutigen Straßenkämpfen. Ich beorderte Ungrimm und sein Banner zwar unverzüglich gen Südtor, doch er und seine Mannen kamen nicht mehr rechtzeitig, um den Durchbruch der Schwarzpelze aufzuhalten. Selbst als Ungrimm einen mächtigen Kriegsoger mit einem einzigen Schlag seines Felsspalters fällte stürmten die angreifenden Orks unbeeindruckt von der Kampfkraft der Verteidiger weiter in die Stadt. Immer mehr Krieger der Schwarzpelze gelangten so in die Gassen und Straßen der Stadt.

 

Wie aus dem Nichts tauchte Zerwas neben mir auf und sagte mir, es sei an der Zeit, dass er nun seinen Pakt erfülle. Ich solle die Todgeweihten der Greifenfurter Verteidiger nicht mehr ins Spital zu Bruder Gordonius bringen lassen, sondern zu ihm in die unterirdischen Kasematten der markgräflichen Garnison. Dort werde er die Streiter zu neuem, unsterblichen Leben erwecken und sie sodann in die Schlacht gegen die Schwarzpelze führen. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass es sich hier um irgendeine Art von Vampirismus handelt, doch eine Wahl hatte ich sowieso nicht. Bei Praios, mir blieb nichts anderes übrig, als einzuwilligen. In der Folge wurden gut ein Dutzend Greifenfurter in die Garnison gebracht. Ich bin mir sicher, dort haben sie nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Seelen verloren. Ich werde diese Bürde ein Leben lang mit mir herumtragen. Ich werde mir einreden, es war zum Wohle des Kaiserreichs, der Greifenmark, der Stadt, doch eigentlich, tief in meinem Herzen, weiß ich es besser. Ich hoffe die Götter werden mir einst verzeihen. Ich hoffe ich kann mir irgendwann einmal selbst verzeihen.

 

Nun, immerhin konnte die Stadt mit Hilfe der unheiligen Streiter gehalten werden. Auch Agentin Eulenflug war bei den unheiligen Kreaturen, der Henker hatte sie wohl schon damals mit in die Dunkelheit gezogen. Und ich habe sie erst zu ihm geschickt. Wie einst Jorinde, so brachte ich also auch Sartassa nichts als ein grausamen Tod. Boron möge ihrer Seele gnädig sein, ich hoffe sie ist nicht auf ewig verdammt. Mythornius sprach kurz vor dem Auszug der Streiter noch mit ihr, er hatte Tränen in den Augen, sah wohl dass sie für immer verloren ist. Armer Mann, ich hoffe er kommt darüber hinweg.

 

Diese düsteren Bestien richteten ein regelrechtes Blutbad unter den Schwarzpelzen an, es dauerte nur wenige Minuten, bis die Orks mit Entsetzen in den Augen aus den Gassen der Stadt flohen. Was habe ich nur getan. Diese Ausgeburten der Niederhöllen dürfen nicht existieren, sie müssen vom Antlitz Deres getilgt werden. Das wurde mir nach diesem Massaker schmerzlich und mit aller Deutlichkeit bewusst. Dieses Schicksal haben nicht einmal Orks verdient. Mehr noch, diese Wesen sind weit schlimmer als es Orks jemals sein werden.

 

Ich habe Lancorian und meine Männer in der Fuchshöhle zusammenkommen lassen und ihnen meinen Plan mitgeteilt, um des Henkers Geschöpfe zu vernichten. Ich habe den düsteren Henker überredet, in einer Stunde zusammen mit seinen unheiligen Kreaturen im Schutze der Nacht ins Ostlager der Schwarzpelze einzufallen und die Belagerung so endgültig hier und heute zu beenden. Der Rückzug seiner Geschöpfe soll dann im Morgengrauen im Schutze einer von Lancorian geschaffenen magischen Dunkelheit stattfinden. Lancorian wird die Dunkelheit aber vor der Zeit abbrechen und die Kreaturen des Henkers werden in den ersten Strahlen des Götterfürsten ihr unheiliges Leben aushauchen. Dieses kleine Detail habe ich dem Dreckskerl verheimlicht. Habe nicht einmal daran gedacht, während ich ihm von dem Ausfall ins östliche Lager berichtet habe, ich bin mir nämlich mittlerweile fast sicher, dass dieser Bastard auf irgendeine Art und Weise meine Gedanken lesen kann, wenn ich mit ihm rede.

 

Es hat mich einige Mühe gekostet, Lancorian zu überzeugen, bei meinem Plan mitzumachen. Leider hat sich keiner meiner Männer bereit erklärt, meinen alten Freund bei seiner schweren Aufgabe zu begleiten.

 

So traffen sich also der Henker und seine Geschöpfe bei den Trümmern des Südtors, und etwa eine halbe Stunde vor Morgengrauen zogen die Streiter in das Lager der Orks. Wie eine Sense durch das Korn, so fuhren die Bestien des Henkers in die Reihen der Orken. Hinter ihnen blieben verstümmelte Schwarzpelze mit niederhöllischem Schrecken in den verzerrten Gesichtern, vor ihnen flohen die Orks in Panik und Entsetzen. So muss es wohl während der Zweiten Dämonenschlacht ausgesehen haben, als die verrückte Hela-Horas einst ihre Dämonenbrut auf Dere führte.

 

Dann endlich kamen die ersten Strahlen der Praiosscheibe zum Vorschein. Mein alter Freund machte gar keine Anstalten, seinen Dunkelheitszauber zu weben, und so fuhren die sengenden Lanzen des Götterfürsten unter die düsteren Geschöpfe des Henkers und verbrannten sie in heiligem Feuer zu schwarzer Schlacke. Lancorian hatte nicht einmal Zeit, sein Pferd zu wenden, bevor ihn dieser Mistkerl Zerwas mit seinem schwarzen Zweihänder in zwei Teile spaltete. Boron möge der Seele meines Freundes gnädig sein, ich werde täglich für ihn beten. Nur die Zwölfe wissen wohl, wie viele Tote ich einst auf der Seelenwage Rethon zu verantworten habe.

 

Während seine Geschöpfe vergingen, zeigte Zerwas endlich sein wahres Gesicht: Seine schwarze Plattenrüstung brach auseinander, und aus den metallenen Trümmern schälte sich eine riesige, annähernd menschliche Gestalt. Doch wo man die Haut vermuten würde, hatte dieses Geschöpft nur blutig rotes, pulsierendes Fleisch! Mächtige, ledrige Schwingen wuchsen aus seinem Rücken, Hände und Füße verformten sich zu mörderischen Klauen. Sein Schädel verformte sich zu einem wolfsähnlichen Gebilde mit messerscharfen Reißzähnen. Dann erhob sich das dunkle Wesen mit einem unmenschlichem Schrei in die Lüfte und verschwand am Horizont.

 

Nachtrag: Später habe ich erfahren, dass wohl auch Agent Kralle nach seiner schweren Verletzung in die Kasematten der Garnison gebracht wurde und nur durch die Begegnung mit Mythornius, der den Pakt wohl zuvor erkannt hatte, vor einem schlimmen Schicksal bewahrt wurde. Deswegen also die seltsamen Blicke, die mir Kralle während der Besprechung zugeworfen hat. Vielleicht sollte ich mit ihm darüber reden? Doch was soll ich ihm schon sagen? Eine Entschuldigung habe ich nicht, eine Entschuldigung gibt es nicht, ich glaube mittlerweile nicht einmal mehr an die Gnade der Zwölfe.

 

19. Efferd, 1013 BF: Siegesfeier

Die Stimmung in der Stadt ist regelrecht ausgelassen, alle reden von einem göttlichen Wunder, all die Entbehrungen und Verluste scheinen vergessen. Ich weiß es besser, leider. Immerhin ist die Stadt erneut gegen den Ansturm der Schwarzpelze gehalten worden, doch um welchen Preis? Ich habe meinen Freund Lancorian sehenden Auges in einen grausamen Tod geschickt. Ich hoffe, seine Seele wird den Weg in die zwölfgöttlichen Paradiese finden und nicht für immer verdammt und verloren sein. Ich werde täglich für ihn beten, ich hoffe die Götter erhören mich wenn schon nicht für meine Seele dann doch wenigstens für die Seele Lancorians.

 

20. Efferd, 1013 BF: Boten werden gen Wehrheim und Xorlosch ausgesandt

Ich habe meine Leute zu einer Besprechung im kleinen Kreis zusammengerufen. Greifenfurt wird mit den vorhandenen Vorräten nicht über den Winter kommen, das steht fest. Wir haben daher beschlossen, den Prinzen um Hilfe zu bitten. Dazu wurden zwei Späher aus Greifenfurt gen Wehrheim geschickt. Ich hoffe die beiden kommen an den Linien der Orks vorbei.

 

Meine Leute selbst werden zusammen mit der Greifenfurterin Siglinde, die sich als Einheimische in den umliegenden Wäldern auskennt, in Richtung Xorlosch reisen. Vielleicht besser Agent Kralle eine Zeitlang von mir fernzuhalten, seine misstrauischen Blicke gefallen mir nicht. Wird vielleicht besser, wenn einige Monde ins Land gezogen sind. Die Erzzwerge in Xorlosch sind – auch nach Aussage des von dort stammenden Ungrimms – sehr traditionsbewusst und pflegen eine genaue und ausführliche Geschichtsschreibung. Ich hoffe dass dort endlich herausgefunden werden kann, was es mit der Vergangenheit der Stadt genau auf sich hat: Wieso wurde die Stadt immer wieder von den Orken angegriffen? Was ist an der Stadt so immens wichtig, dass die Zwerge, möglicherweise Elfen und sogar ein Greif in die Kämpfe eingegriffen haben? Ich habe immer mehr das Gefühl, dass dieses Wissen für die Verteidigung der Stadt von enormer Bedeutung ist.

 

Daneben habe ich Himgi angewiesen, die Befestigungen der Stadt auszubessern und nach Möglichkeit noch zu verstärken.

 

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